Baikonur: Der Kosmos beginnt auf der Erde

Stundenlang fahren wir mit dem Auto eine fast kerzengerade Straße entlang. Unser Ziel: Die Weltraumstadt Baikonur.

 

Überall nur Steppe, Weite und ganz viel nichts. Irgendwann sieht man rechts eine Radarstation, weiter weg auf der linken Seite eine Stadt, in die man nur mit einer Erlaubnis und mithilfe einer Einladung von jemanden aus der Stadt kommt. Denn wir wollen in eine geschlossene Stadt, mit einem von russischen Soldaten kontrollierten Checkpoint. Moment, russischen Soldaten? Aber wir sind doch in Kasachstan?

 

Mit dem Namen Baikonur verbindet jeder in erster Linie den Weltraumbahnhof, von dem 1961 Juri Gagarin als erster Mensch der Welt in das All flog oder 1963 die erste Frau, Walentina Tereschkowa, oder Sigmund Jähn als erster Deutscher 1978. Tatsächlich befindet sich die Stadt Baikonur allerdings über 300 Kilometer entfernt. Die Namenvergabe diente der Vertuschung und Täuschung des Westens, um den tatsächlichen Startplatz geheim zu halten.

 

Die Geschichte des Kosmodroms Baikonur reicht bis in die 1950er Jahre zurück, als die Sowjetunion nach einem geeigneten Standort für ihre Weltraumpläne suchte. Die Abgeschiedenheit der kasachischen Steppe erwies sich als perfekt. Parallel zum Bau des Weltraumbahnhofs entstand die Stadt Baikonur, die zunächst Sarja, dann Leninskij und ab 1966 Leninsk hieß.

 

Der Zerfall der Sowjetunion und die Unabhängigkeit Kasachstans stürzten den Weltraumbahnhof und damit auch die Monostadt in eine schwere Krise. Da die Startmöglichkeiten auf russischem Gebiet begrenzt waren, kam es zu Verhandlungen zwischen Russland und Kasachstan. 1994 unterzeichneten beide Länder einen Pachtvertrag, der es Russland erlaubt, das riesige Gelände des Weltraumbahnhofs und die Stadt Baikonur für 115 Millionen Dollar pro Jahr bis 2050 zu nutzen. Heute leben ca. 73.000 Menschen in der Stadt. Viele Russen haben sie allerdings in den Jahren verlassen, ca. 35 Prozent leben noch hier. Das Zusammenleben funktioniert reibungslos, auch weil es eine kasachische und eine russische Polizei, zwei Gerichte und zwei Standesämter gibt.

 

Die Stadt selbst gleicht einem Freilicht-Museum: Auf dem Weg in das Stadtzentrum, entlang des Koroljow-Prospekts, ziehen etliche sowjetische Raumfahrtmonumente vorbei. Rechts ist ein großartiges Mosaik mit Kosmonauten*, links eine Statue von Juri Gagarin, in einem kleinen Park eine gigantische Sojus-Rakete. 

Sergej Pawlowitsch Koroljow war der höchste sowjetische Raketenkonstrukteur. Er entwickelte die erste Interkontinentalrakete (R-7) der Welt und den ersten Satelliten, der in die Erdumlaufbahn geschossen wurde. Juri Gagarin wurde am 12. April 1961 von Baikonur aus mit dem von Koroljow entwickelten Raumschiff Wostok-1 als erster Mensch ins Weltall geschickt. Und Koroljow erschuf die Sojus-Rakete, die bis heute für Raumflüge zur Internationalen Raumstation ISS eingesetzt wird. Auch ihm ist in der Stadt ein Denkmal gesetzt.

 

Am Ende der kleinen Fußgängerzone befindet sich der Leninplatz, wo die Statue von Wladimir Lenin den Kosmonauten noch immer alles Gute bei der Eroberung des Kosmos wünscht. Auf der rechten Seite des Platzes thront majestätisch das Hauptquartier der russischen Weltraumbehörde „Roskosmos“. Gegenüber befindet sich das Hotel „Zentralnaja“. Hier kommen bei den geplanten Weltraumflügen Journalisten unter. Ein weiteres Hotel ist nur für den Präsidenten gedacht, ein anderes für die Kosmonauten. Alle schön getrennt von den restlichen Leuten. 

 

Wie sieht die Zukunft aus? Im Moment spülen noch Flüge zur Internationalen Raumstation (ISS) Geld von den USA und Europa in die russischen Kassen (eine Quelle spricht von 70 Millionen, die die USA pro Platz in einer Sojus-Rakete an Roskosmos, den  russischen Betreiber, zahlen muss). Doch beabsichtigen die USA und Europa auch in diesem Bereich unabhängiger von Russland zu werden und intensivieren ihre eigenen Programme. Selbst Russland investiert in Anlagen am Weltraumbahnhof Wostotschny in Ostsibirien, um ebenfalls unabhängiger von anderen Staaten, auch befreundeten, zu werden. Da der Aufbau allerdings teuer ist, verzögert sich alles. Mit dem Hintergrund werden allerdings weder Kasachstan noch Russland zukünftig große Investitionen in Baikonur vornehmen.

 

An den Weltraumflügen hängt auch der Tourismus der Stadt. Von beiden gibt es momentan kaum welche. Dazu muss man einen weiten Weg auf sich nehmen und jederzeit mit Verzögerungen beim Start einer Rakete aufgrund des Wetters oder anderen Widrigkeiten rechnen.

 

*Ob nun Kosmonaut, Astronaut oder Taikonaut: Immer sind Raumfahrer bzw. Raumfahrerinnen gemeint. Der Begriff „Kosmonaut“ wird in Russland und der ehemaligen Sowjetunion benutzt. Er ist abgeleitet von den  griechischen Wörtern für „Weltall“ (Kosmos) und „Seefahrer“ (naut). Der in den USA, Westeuropa und den meisten anderen Ländern gebrauchte „Astronaut“ ist abgeleitet vom griechischen „Stern“ (Astro) und „Seefahrer“ (naut). „Taikonaut“ ist wiederum die chinesische Form, wobei sich der Begriff von den chinesischen Worten für „Weltall“ und „Reisender“ zusammensetzt. Da wir in Kasachstan waren benutze ich hier das Wort „Kosmonaut“.

Internationale Weltraumschule Baikonur

Als wir in der Stadt waren gab es leider keinen Weltraumstart. Daher waren wir fast allein als Touristen in der Stadt unterwegs. Eigentlich glaube ich, wir waren die einzigen Touristen. Daher und wegen Ferien hatte auch leider das Museum nicht geöffnet. Stattdessen besuchten wir eine spezialisierte Schule, aus der viele zukünftige Techniker, Ingenieure für Raumfahrttechnik oder Kosmonauten hervorgehen.

 

In der Stadt gibt es Schulen, die nach russischen Lehrplänen unterrichten, andere nach kasachischen. In der Weltraumschule stellen Kinder z.B. Raketen u.a. mithilfe eines 3D-Drucker her, die kilometerweit fliegen können oder originalgetreue Militärflugzeuge. Mittlerweile gibt es dort auch Klassen für Kinder, die Polizisten werden oder einen wissenschaftlichen Weg gehen wollen. Die Kinder, die dort unterrichtet werden, müssen extrem hohen Ansprüchen genügen und auch nach der Schule büffeln. Sind sie erfolgreich ist ihnen ein Platz an einer großen Uni sicher.

Zum Abschluss des Besuchs durfte ich eine Rakete starten. Ein cooles Erlebnis!!!