Welches Bild habt ihr im Kopf, wenn ihr an Pakistan denkt?
Ich wette, die meisten denken an das gefährliche, von Angriffen zerrissene Land, das die Atombombe besitzt, mit andauernden Grenzproblemen zu Indien und der Grenze zum Unruheherd Afghanistan. Oder das Land, in dem sich Osama bin Laden bis zu seinem Tod versteckt hielt.
Das ist das Klischee, das wir über Pakistan hören und das sagen uns auch die Medien.
Auch wenn ich in diesem Fall nur halb an das glaubte, was man in den Nachrichten sehen kann, bin ich auf die Gerüchte nicht hereingefallen und informierte mich vorher. Nie begann ich, die Reise zu überdenken. Und schließlich hatte ich Recht! Der Besuch in Pakistan war für mich eine wirklich interessante und aufschlussreiche Erfahrung! Die Reise gab mir Zeit, mich von der Welt voller Nachrichten über Kriege und Krisen oder persönlichen Schicksalsschlägen -zumindest in der Zeit - zu lösen und die magischen Momente, wie am Nanga Parbat, zu genießen. Hier gelang es mir, aus dem Alltag auszubrechen, neue großartige Eindrücke zu gewinnen.
Ich möchte euch nun die Teile Pakistans zeigen, die in der Berichterstattung zu kurz kommen. Das Land besitzt wunderschöne Landschaften, religiöse Vielfalt, unterschiedliche Kulturen, Menschen, die das harte Leben im Gebirge prägt, die trotzdem lachen und sich selbst fotografieren lassen wollen. Überall genossen wir eine große Gastfreundschaft. Eine Region über die viel berichtet wird aber kaum einer kennt.
Aber wie kam ich auf Pakistan? Meine Inspiration kam durch einen Roadtrip der Weltenbummlerin Margot Flügel-Anhalt. Ihren Solotrip mit dem Auto von Deutschland nach Pakistan findet ihr in der ARD-Mediathek oder ihrem Buch „Hoch. Hinaus.“
Hoch hinaus ging es für mich bei einer mehrtägigen Tour zum Nanga Parbat. Streetphotos aus den beiden großen Städten Islamabad und Lahore und pakistanische Streetart findet ihr hier.
Der Stolz aller Fahrer: Die farbenfrohen LKW
Bei der teilweise sehr kargen Landschaft sind sie die Farbflecken: Die Trucks. Bunt gemustert und viel zu hoch für deutsche Brücken. Auf ihren Zugmaschinen und Containern lachen uns Gesichter an (manchmal der Fahrer selbst oder der Sohn), ist die pakistanische Flagge aufgemalt, zwischendrin bunte Blumen oder Fantasievögel, Ornamente oder Suren aus dem Koran. Allein für die Bemalung zahlen die Fahrer 6000-8000 Euro, inklusive Fahrzeuginstandsetzung sogar 60.000-80.000 Euro. Es gibt kaum LKW-Firmen, dem Fahrer gehört der Lkw. Er fährt für sich, das Geld ist allein seines. Sein ganzer Stolz ist die individuelle Bemalung des Trucks. Manchmal hat er Vorstellungen oder er überlässt es komplett den Lackierereien.
Wir waren während der Reise in einer LKW-Werkstatt unterwegs. Dort waren viele Kinder, die während ihrer Schulferien bei der Reparatur der Fahrzeuge mithalfen. Dabei erfuhren wir, dass der älteste Sohn aus der Schule genommen wird und den Arbeitsplatz seines Vaters einnimmt, wenn dieser z.B. wegen Krankheit oder Tod nicht mehr arbeiten kann. So wird der Älteste dann zum Ernährer der ganzen Familie.
Die Grenzzeremonie
Bevor die britischen Kolonialherren das Land verließen teilten sie den Subkontinent in einen Hindu- (Indien) und einen Moslemstaat (Pakistan), was zu andauernden Konflikten führte. Seit der Teilung 1947 streiten sich beide Länder, wem die Region Kashmir und Jammu gehört. Diese Entscheidung hatten die Briten damals vertagt.
Jeden Abend findet an der schwerbewachten Grenzstation zwischen Pakistan und Indien nahe Lahore ein Ritual statt, das wohl einzigartig auf der Welt sein dürfte...und das nicht nur aufgrund seiner Länge. Hier wird der Wachwechsel und das Schließen des Grenzzauns in einer riesigen Zeremonie vor Publikum zelebriert. Lautsprecher bombardieren das Publikum auf beiden Seiten mit nationalistischer Popmusik. "Pakistaaaaan, Pakistaaaaan!" ertönt es monoton auf unserer Seite der Grenze. Einheizer puschen die Atmosphäre zusätzlich, inklusive patriotischen und martialischen Gesten. Man fühlt sich manchmal wie in einem Fußballstadion. Unter großer Anteilnahme und Begeisterung der Zuschauer demonstriert die Grenzgarde Pakistans im Stechschritt und im Stile der alten Kolonialarmee ihre Wehrhaftigkeit. Nach etlichen Stechschritten, geballten Fäusten und einem ausgiebigen Auf- und Abmarschieren vor dem Tor, sehr vielen "Allahu Akbar" und noch mehr "Pakistaaaaan" geht die Sonne unter. Die Soldaten beider Länder stehen sich gegenüber, die Fahnen werden aggressiv eingeholt, zusammengefaltet und rasch davongetragen. Nach dieser langen Theaterinszenierung wird auch endlich das Grenztor geschlossen.
Auf der indischen Seite passiert dasselbe martialische Gehabe gegen den feindlichen Bruderstaat. Bei aller Feindschaft: Auf Gemeinsamkeiten bei den Gesten wird nicht verzichtet.
Die Armeen beider Länder haben gegeneinander verlustreiche Kriege geführt. Trotzdem hält man allabendlich an dieser sehr skurrilen Grenzshow fest.
Das Fort von Hunza
Der Ort Karimabad im Hunza-Tal liegt im nördlichen Teil von Pakistan. Von hier aus sieht man bei gutem Wetter die gigantischen Eiswände des 7788 Meter hohen Rakaposhi. Über der Stadt ragt das alte Sommerschloss des Emirs: Das Fort von Hunza (auch Fort Baltit), umgeben von Fünf- und Sechstausendern. Das Fort wurde im 14. Jahrhundert erbaut. Es sicherte das Überleben des Regimes von Hunza. Es soll aber auch ein Ort gewesen sein, wo Zölle eingetrieben oder Reisende beraubt wurden. Aber das ist lange her. Um das Hunza-Tal ranken sich viele Legenden. Hier sollen die ältesten und gesündesten Menschen der Welt leben. Hier sind viel mehr Frauen in der Öffentlichkeit unterwegs als in den Gegenden, in denen wir zuvor waren. Sie arbeiten in Handwerksbetrieben und tragen so zum Einkommen der Familie bei. Dagegen sah man in vielen Bergregionen gar keine Frauen draußen. Meist waren sie in den Häusern. Hier leben Ismaeliten, was den Frauen mehr Freiheiten einräumt.
Etwas Besonderes auf dem Weg in das Hunza-Tal war der Druiker-Aussichtspunkt. Hier treffen die drei großen Gebirgsketten der Region zusammen: Karakorum, Himalaya und Hindukush.
Die Passu-Kathedralen
Ein weiterer wichtiger Grund für mich, um nach Pakistan zu fahren, war die Bergkette der Passu Cones mit dem höchsten Gipfel Passu Peak, der 7248 Meter aufragt. Ein bisschen erschien die Bergkette wie ein natürliches Kunstwerk. Nicht umsonst werden sie auch Passu-Kathedralen genannt. Nahe des Dorfes befindet sich der Passu-Gletscher. Leider war der Blick, als wir hinaufgingen, wolkenverhangen. Aber so ist es nun einmal in der Natur.
Zwei Nächste verbrachten wir im Bergdorf Passu. Das Dorf selbst ist nicht groß und besteht vor allem aus Steinhäusern.
Leider erwischten wir keine sehr guten Tage in der Gegend. Regen verhinderte die Fahrt in das Shimsal-Tal. Es kam zu Erdrutschen. Auf dem Weg zum Karakorum-Highway kamen wir an einem Pkw vorbei, der einen erheblichen Frontschaden hatte, davor lagen große Felsbrocken. Anscheinend rutschten sie den Berghang hinab auf die Straße und der Pkw konnte nicht mehr ausweichen. Vermutlich auch deswegen fiel in der Nacht der Strom aus. Das stellt mich natürlich nicht vor Problemen, denn eine Powerbank hat man immer mit dabei.
Karakorum Highway und Attabad-See
Der Karakorum Highway ist ein sehr alter Handelsweg. Laster bringen Rohstoffe und Handelswaren aus oder nach China. Früher waren hier Karawanen unterwegs und hinterließen Felszeichnungen. Auf dem Weg zum chinesischen Grenzübergang wird die Landschaft immer trockener und karger. Yaks und riesige Murmeltiere säumen den Weg, Häuser sieht man keine mehr. Oben angekommen ist die Luft wieder einmal deutlich dünner, schließlich befinden wir uns auf einer Höhe von 4700 Metern. Eigentlich sieht es nun ein bisschen wie Island aus.
Der Attabad-See ist eine der Touristenattraktionen des Landes und gilt als einer der schönsten Seen Pakistans. Tatsächlich ist der türkisfarbene, von fotogenen Bergen umgebene See unglaublich schön. Doch unter seiner Wasseroberfläche verbergen sich Straßen, Schulen, Moscheen und ganze Dörfer. Denn der See ist relativ jung und seine Entstehungsgeschichte mit viel Leid verknüpft.
2010 kam es hier zu einem verheerenden Bergrutsch, wodurch Dörfer und Straßen verschüttet, der berühmte Karakorum Highway blockiert wurden. Die Geröllmengen stauten den Hunza-Fluss auf 36 Kilometern auf, ein eisklarer bis zu 120 Meter tiefer Stausee entstand. Viele Dörfer (rund 500 Häuser) wurden überflutet, etwa 20 Menschen verloren ihr Leben, sechstausend mussten evakuiert werden, etliche Existenzen wurden vernichtet. Aber die Menschen erfanden sich neu. Da die Straße blockiert war wurden die Waren und ganze Autos auf Boote umgeladen, zum Ende des Sees verbracht und dort wieder auf Laster geladen. Ein Fährgewerbe entstand. Mittlerweile hat China neue Tunnelstraßen durch die Berge gebaut. Und wieder einmal mussten sich die Menschen vor Ort umorientieren. Mittlerweile bieten viele Bootstouren für die Touristen an, etliche Hotels entstehen rund um den See.