Tschernobyl ist überall

Um Euren Fragen gleich zuvor zu kommen: Weil mich schon lange fasziniert hat, was mit der Natur geschieht, wenn der Mensch versucht, sie auszurotten. Mich interessierte dabei weniger warum es zur Havarie beim Atomkraftwerk Tschernobyl kam, sondern viel eher die Auswirkungen auf Millionen Menschen, schließlich wiederholte sich die Geschichte auf ähnliche Art und Weise vor einigen Jahren in Fukushima. Wie sagte mal jemand: Atomkraft darf man sich so vorstellen als befinde man sich in einem Flugzeug, dass jedoch keine Landeklappen besitzt und demnach nicht auf den Boden zurückkehren kann. Die Physikerin, Frau Dr. Merkel, hätte es sicher nicht so bildlich hervorbringen können.

Kurz zur Erinnerung: Am 26.April 1986 explodierte während eines Sicherheitstests der Reaktor vier vom Atomkraftwerk Tschernobyl. Die Auswirkungen bekam nicht nur die Ukraine, sondern vor allem das benachbarte Belarus zu spüren. Erhöhte Strahlung gab es in Israel, Türkei, Japan, USA und Europa. In der damaligen DDR waren die südöstlichen Teile vom radioaktiven Fallout stark betroffen, insbesondere Dresden und Cottbus (und daher mein besonderes Interesse). In kurzer Zeit wurde Tschernobyl das Problem der ganzen Welt und daher der damalige Ausspruch: "Tschernobyl ist überall".

 

 

Tag 1 in der Sperrzone


Vor Ort gibt es eine 10- und eine 30km-Sperrzone. In beide Bereiche gelangt man nur nach einer Militärkontrolle. Vor der Reise hatten alle Teilnehmer ihre Reisepassnummer anzugeben. Die Liste wurde nun an der 30km-Sperrgrenze abgehakt, um den Überblick zu behalten, wann man wieder ausreist. Wer weiß, wann die mich gesucht und bei diesem riesigen Gebiet überhaupt gefunden hätten...

Einen Tag nach der Havarie wurden die Bewohner aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Einige sind jedoch nach wenigen Monaten wieder in den Randbereich der 30km-Zone zurückgezogen und werden seitdem vom Staat geduldet. Am ersten Tag besuchten wir eines der Ehepaare (insgesamt waren weniger als 300 Menschen in ihr ehemaliges Heim zurückgekehrt). Das Haus, die Hühner und Gänse zeigten ein Stück Normalität... wenn nicht der Friedhof direkt daneben wäre.

Anschließend ging es Richtung Tschernobyl mit dem Denkmal für die Feuerwehrleute und die Besichtigung des ehemaligen Kindergartens. Danach war nach der langen Fahrt der Check-In ins Hotel und Abendessen angesagt.

 

Tag 2 in der Sperrzone
 

Alle Welt redet nur von Tschernobyl. Die Stadt, die dem Atomkraftwerk am nächsten lag, heißt Prypjat. Sie wurde 1970 eigens für die Mitarbeiter des Kraftwerks und deren Angehörige gebaut. Zum Zeitpunkt der Katastrophe lebten dort etwa 50.000 Menschen. Prypjat ist heute eine Geisterstadt mit einem verwahrlosten Rummelplatz und Riesenrad, dessen Einweihung wegen der Havarie platzte. Wenn man sich frühere Fotos von der Stadt ansieht, sieht man viel Asphalt, gerade im Bereich des Hauptplatzes. Heute ist der Wald bis an die Hochhäuser herangerückt, teilweise sind Bäume durch den Asphalt oder Straßenlaternen gebrochen. Vor allem aber fällt einem die unglaubliche Ruhe auf. 
 

Sehr viel musste vor Ort zurückbleiben. Schließlich sagte man den Bewohnern ja, dass sie nach drei Tagen zurückkehren könnten... was daraus wurde, ist bekannt. 
 
Ein Streifzug durch diese Geisterstadt:

 

In den letzten Tagen war ich bewusst weder im Internet noch habe ich Handynachrichten gelesen. Wäre ich dabei nur geblieben... Kurz vor dem Einschlafen die Nachricht, dass ein Kollege wieder einmal viel zu früh gestorben ist...............

 
 
Tag 3 in der Sperrzone
 
Noch unter dem Eindruck der Nachricht komme ich heute nicht so richtig in Gang. Das Wetter ist entsprechend und schließlich ist es der letzte Tag hier.


Trotzdem geht es los zur Duga Radarstation, die sich mitten im Sperrgebiet befindet und daher seinen Betrieb zum Ausspionieren der USA aufgeben musste. Ein Hoch für alle Verschwörungstheoretiker. Außerdem steht eine Schule und ein ehemaliges Ferienlager auf dem Programm.

Kurz zur Tierwelt in der Sperrzone: Vögel sah man sehr wenige, dafür um so mehr Hunde. Diese waren gut genährt, schließlich bekommen sie von den Touristen ständig Leckerlies. Interessant war eine Art Ohrmarke, auf der die Strahlung gemessen wird. Die Hunde kann man also als Versuchskaninchen bezeichnen, da man an ihnen Langzeitauswirkungen der Strahlung sehen kann.

 

Und nun zur Strahlenbelastung, die jeder über einen Dosimeter im Blick hatte. Zusätzlich wurde man immer beim Verlassen der 10km-Zone gescannt. In den drei Tagen nahm ich nicht mehr als 0,029 Millisievert auf. Zum Vergleich: Fliegt Ihr nach Japan, beträgt die Strahlenbelastung 0,1 Millisievert. Meine drei Tage sind vergleichbar mit ein Mal Röntgen. Natürlich gibt es Hotspots mit sehr hohen Strahlenwerten, z.B. im zugeschütteten Keller des Krankenhauses in Prypjat (dort lagert die Kleidung der Feuerwehrmänner und Liquidatoren) oder ein Greifarm, der angeblich direkt am Kraftwerk eingesetzt wurde. Dahin hat es mich natürlich nicht verschlagen.

Ihr müsst Euch also eine andere Ausrede einfallen lassen, wenn Ihr nicht mehr mit mir zusammenarbeiten wollt!


Ein großes DANKE an urbexplorer für die super Organisation.


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