Tskaltubo: Ein (teilweise) verzauberter Ort

Tskaltubo liegt 15 km nordwestlich von Kutaissi, der zweitgrößten Stadt Georgiens. In der Sowjetzeit war Tskaltubo einer der größten Kurorte des Republikverbundes. Wegen seiner Thermalquellen wurde Tskaltubo bereits seit dem 19. Jahrhundert als Heilbad betrieben. Im Zuge der sowjetischen Kurortpolitik, die zuallererst der Aufrechterhaltung der sozialistischen Arbeitskraft diente, baute man es zwischen 1939 und 1955 auf. Dabei entstanden historisierende Gebäudekomplexe im Stil des sowjetischen Neo-Klassizismus – in einer zweiten Hochphase der 1970er Jahre wurde Tskaltubo dann architektonisch im Stil der sowjetischen Moderne ausgebaut.

 

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachen die Besucherzahlen von ca. 100.000 Kurgästen dramatisch ein. Die Unabhängigkeit Georgiens führte schon bald zu Konflikten mit den Gebieten Abchasien und Südossetien. Kurz darauf, 1992, herrschte der Abchasienkonflikt. 250.000 Georgier wurden vertrieben und suchten Schutz. Ungenutzte ehemalige Sanatorien, Hotels, Wohnheime und Kasernen wurden zur vorübergehenden Unterkunft. Allein zehntausend Flüchtlinge kamen in den leerstehenden Sanatorien und Hotels von Tskaltubo unter, wo sie zu großen Teilen noch heute in den morschen Palästen leben. Meist Einzimmerwohnungen, belegt häufig mit mehreren Menschen. Wasser, Toilette und Dusche befanden sich meist auf dem Gang für eine ganze Etage. Die Kurparks verwandelten sich in Gärten für diese innergeorgischen Binnenflüchtlinge (auch als Internally Displaced Persons -IDPs- bezeichnet)*.

 

Die weitläufige Parkanlage beeindruckt mit seinen monumentalen Eingängen, noch vorhandenen riesigen Kronleuchtern oder ehemaligen Bädern bis heute. Weiterhin befindet sie sich in einem Zustand des Zerfalls. Diese morbide Schönheit lockt auch immer wieder Vermählte an diese Orte, die hier ihre Hochzeitsfotos machen. Das wirkte schon makaber, wenn dort festlich gefeiert wird, während in Sichtweite die Leute mit dem wenigen auskommen müssen, was sie haben. Mittlerweile ist es dem georgischen Staat gelungen, viele Flüchtlingsfamilien in alternativen Wohnraum umzusiedeln. Einige verweilen jedoch immer noch in den ehemaligen Unterkünften der Sanatorien.

 

 

*Binnenflüchtlinge wurden innerhalb des eigenen Staatsgebietes vertrieben, können aber nicht zurückkehren, weil sich ihre Herkunftsregion als unabhängig erklärt hat. Die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien hatte Massaker, Plünderungen, Vergewaltigungen und Kriegsverbrechen zur Folge.

 

 

Tskaltubo war nur ein Teil meiner Georgien-Reise. Hier findet ihr einen Bericht über die restliche Tour.