Ein Streifzug durch das (post-)sowjetische Georgien

„Es gab einen Georgier, der hat Deutschland geteilt, und es gab eben auch einen anderen Georgier, der daran mitgewirkt hat, es wieder zusammenzuführen.“ Eduard Schewardnadse über sich und Josef Stalin

Nein, ein Geheimtipp ist Georgien längst nicht mehr. Doch kann man sich Reisezielen auch anders nähern als so viele andere Touristen. Der Fokus dieser Reise lag auf der sowjetischen Vergangenheit Georgiens. Es ging also auf die Suche nach sowjetischen Monumenten, Gemälden oder Mosaiken und dem typischen sowjetischen Baustil. Natürlich durften Highlights wie Tbilissi (dt. Tiflis) oder die Dreifaltigkeitskirche nicht fehlen. Auf dem Plan standen aber auch Orte wie Borjomi, Rustawi oder Tschiatura, die selten in Reiseführern zu finden sind.

Die Wirren nach dem Zerfall des Ostblocks sorgten dafür, dass Georgien lange Zeit kein Ziel für Reisende blieb. Im Kaukasuskrieg 2008 kämpfte das Land wegen der abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien fünf Tage mit Russland, was dem Tourismus ebenfalls nicht gerade zuträglich war. Der Krieg war auch ein Grund dafür, sich noch einmal verstärkt Europa zuzuwenden.

Geprägt durch Relikte der Sowjetzeit, blickt das Land heute politisch Richtung Brüssel und Washington und strebt in die NATO. Ethnopolitische Konflikte sind jedoch als schmerzliche Hypothek geblieben. Mit Abchasien und Südossetien sind fast 20 Prozent des Territoriums der georgischen Gerichtsbarkeit entzogen. Dort entstanden mit russischer Unterstützung Separatstaaten. Das Verhältnis zu Russland hat sich mittlerweile gebessert, jedoch deutet nichts darauf hin, dass der große Nachbar von seiner Position abrückt, der Südkaukasus mit Georgien gehöre legitimerweise zur ureigenen Interessensphäre. Zumindest ist dieser Frage verhält sich der derzeitige georgische Präsident diplomatischer gegenüber Russland als der frühere ukrainische Präsident und verzichtet auf haltlose Drohgebärden in Richtung Russland.

 

Der Hauptstadt Tiflis habe ich einen gesonderten Blog gewidmet, den ihr hier findet: Tiflis - Hauptstadt zwischen Moderne und sowjetischer Vergangenheit

Die georgische Heerstraße

Die Georgische Heerstraße verbindet die georgische Hauptstadt Tbilissi mit dem russischen Wladikawkas in der Provinz Nordossetien.
Sie führt entlang eines bereits seit Jahrtausenden genutzten Handelswegs über den Kreuzpass durch den hohen Kaukasus von Georgien nach Russland. Dieser Handelsweg war über Jahrhunderte eine der wenigen Möglichkeiten über den Kaukasus von Nord nach Süd und umgekehrt ohne große Umwege zu gelangen. Der Kreuzpass stellte bis vor einigen Jahren aber auch der am schlechtesten befahrbare Teil der Strecke und stellt mit 2379 Metern über dem Meeresspiegel den niedrigsten Übergang über den großen Kaukasus dar. Es waren letztendlich die Russen, die diesen Weg ausbauten und zur Versorgung ihrer Truppen nutzten und sicherten. Zahlreiche Meldetürme entlang Strecke in den Schluchten dienten zur Kommunikation und zeugen heute noch von der langen Geschichte der Strecke. Im letzten Jahrhundert wurden weite Teile asphaltiert und der Lawinenschutz verbessert.

Hinter dem Kreuzpass führt die Straße bergab nach Norden entlang der Dariali-Schlucht bis nach Stephansminda, der Stadt am Fuße des Kazbeg. Von Stephansminda – früher hieß die Stadt Kazbegi – sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Russischen Grenze.

 

Heute ist die Heerstraße nach Öffnung der Grenzen zwischen Russland und Georgien wieder ein wichtiger und vielbefahrender Handelsweg, denn die Verbindung zwischen Russland und Georgien ist im Westen durch Abchasien abgeschnitten. Bei gelegentlichen politischen Spannungen zwischen Russland und Georgien kann es allerdings zu Grenz- oder Streckensperrungen kommen.

Auf der Route sieht man Lastwagen aus für uns exotischen Ländern wie den Iran, Usbekistan oder Turkmenistan. Nicht alle Fahrer sind dem teilweise serpentinenhaften Anstiegen gewachsen, so dass immer wieder möglicherweise falsch beladende LKW am Wegesrand standen und so den Verkehr manchmal vollständig zum Erliegen brachten. 

Insgesamt bietet die Überquerung des Hochkaukasus über die Heerstrasse einige landschaftliche Eindrücke. Dazu zählt neben dem Kaukasus mittlerweile auch der Völkerfreundschaftsdenkmal aus den Zeiten der Sowjetunion, ein mit Mosaiken verziertes offenes Oval mitten in der Landschaft. Es erinnert an den Anschluss Georgiens an Russland vor knapp 200 Jahren. Auch ein Besuch der Gergetis Sameba sollte bei keinem Georgienbesuch fehlen. Die Dreifaltigkeitskirche liegt auf etwa 2200 Metern Höhe am Fuße des Kazbeg. Ein schönes Fotomotiv mit der Berg im Hintergrund.

Tschiatura: Stalin's schwebende Metallsärge

Tschiatura ist eine surreale Bergbaustadt mit Seilbahnen aus den sowjetischen 50er Jahren. Sie liegt in einem Tal im südlichen Kaukasus und war früher einer der wichtigsten Manganproduzenten weltweit. Reiseführer erwähnen diesen Ort sehr selten, klassische Touristenrouten durch Georgien führen nicht unbedingt hier durch.

Man könnte meinen, dass Tschiatura trostlos und grau aussieht . Das hat mit den Kohle- und Manganvorkommen zu tun, die dort lagern und immer noch abgebaut werden. Schließlich hängen die meisten Arbeitsplätze hiervon ab. Die Einwohnerzahl hatte sich seit Anfang der 90er, als das Problem mit der Strom-, Wasser- und Gasversorgung auftrat, fast halbiert und es gibt Befürchtungen, dass es nach dem Ende des Abbaus zu einem erneuten Einwohnerschwund kommen wird und so die weitere Zukunft der Stadt ungewiss ist.

Die Seilbahnen von Tschiatura werden Stalin’s schwebende Metallsärge genannt. Ab 1953 haben 26 Personenbahnen die Arbeiter vom Tal zu den Minen am Berg und die Menschen von den Bergbausiedlungen ins Stadtzentrum gebracht. Mittlerweile sind sie nicht mehr in Betrieb. Die Metallbüxen hängen nun windigen Höhen herum und sind nur noch als extravagantes Fotomotiv zu Nutze. Eine neue Seilbahnlinie ist bereits installiert und soll mit modernen Gondeln, wie wir sie aus den europäischen Skigebieten kennen,  die althergebrachten Linien ersetzen. In Betrieb war sei jedoch während unser Zeit in Tschiatura nicht.

Es war ein kleiner Blick in die Vergangenheit Georgiens.

Rustawi, Gori und und und

Ich finde es spannend zu sehen, wie unterschiedliche Reisefotos aussehen, obwohl man im selben Land war. Diese Reise war geprägt von der sowjetischen Vergangenheit Georgiens mit all seiner brutalistischen Architektur, aber auch besonderen Bushaltestellen, Monumenten und Mosaiken. Auch an Plattenhäusern, wie den miteinander verbundenen in Tbilisi kann man Schönheit finden. Auch dass ein kleines Land wie Georgien in Gori mit Stalin seinem bekanntesten Mann ein ganzes Museum voller Fotos, Statuen oder Wandgemälden widmet, erscheint aus georgischer Sicht verständlich. Wie man mit ihm und seinen Taten umgeht erscheint zumindest auch in Georgien selbst Teil der Debatte zu sein.

 

Vor allem die Menschen vor Ort sind sehr freundlich. Ich kann gar nicht aufzählen wie oft wir von Einheimischen gefragt wurden, was wir (ausgerechnet) dort wollten und woher wir kämen. Immer wieder erzählten sie dann von Bekannten in Deutschland. Oder eine ältere Dame, die den Aufzug eines der Plattenbauten bediente und der auch Hausbewohner Geld zustecken, hinauf oder hinab zu kommen. Besonders gefreut hat uns ein älterer Mann, der in perfekten deutsch sagte "Deutsche Demokratische Republik". Das sind Geschichten, die man mitnimmt und sicherlich nicht mit großen Touristengruppen erlebt.

 

Das war die erste Reise mit www.soviettours.com, aber sicher nicht die letzte durch die ehemaligen Sowjetrepubliken.

Hier geht es zum Bericht zu Tskaltubo mit seinen ehemaligen Sanatorien.